Die Desertec Industrie Initiative

Förderer oder Bremser der Erneuerbaren Energien?



Am 13.7.2009 wurde die Desertec Industrie Initiative (DII) gegründet. Das Ziel: mithilfe von solarthermischen Kraftwerken in den Wüsten Nordafrikas elektrischen Strom erzeugen und über Höchstspannungsleitungen nach Europa transportieren sowie die Elektrizitätsversorgung im Norden Afrikas verbessern. Damit sollen etwa 15% des europäischen Strombedarfs gedeckt werden. Die Anlagen erlauben einen kontinuierlichen, also Grundlastbetrieb. Die Meinungen, die in den Medien vermittelt werden, sind nahezu durchweg positiv, zumal auch Greenpeace das Vorhaben lobt.

Kann man jetzt sagen: Das ist der Durchbruch für die Erneuerbaren Energien?



Die grundlegenden Techniken zum Betrieb von solchen zentralen Kraftwerken, also Konzentration von Sonnenstrahlen mittels Parabolspiegeln, Erzeugung von Dampf, Betrieb von dampfgetriebenen Generatoren, Übertragung der Elektrizität über Kabel, sind vorhanden. Der erhöhte Aufwand für möglichst verlustarme Höchstspannungsleitungen (immerhin bis zu etwa 5% pro 1000 km), für die Zufuhr von Kühlwasser (mit dem Nebeneffekt der Meerwasserentsalzung) und den Reinigungsbedarf an den Spiegeln (in unbekanntem Umfang) schlägt sich letztlich in den Strompreisen nieder und wäre nicht das Problem der Anlagenhersteller und -betreiber. Von der technischen Seite gibt es demnach keine grundsätzlichen Hindernisse, die angenommenen 15% des europäischen Strombedarfs abzudecken.

Aber 15% sind nicht 100%. Greenpeace wünscht zum Auffüllen der Lücke eine Fortsetzung des Ausbaus dezentraler Anlagen. Die Energiekonzerne haben dagegen bisher nicht erkennen lassen, ihre zentralen Kohle- und Kernkraftwerke kurzfristig abzuschalten, wenn sie noch gut daran verdienen. Im Gegenteil: Neue Kohlekraftwerke sind im Bau und in Planung; über eine Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken wird laut nachgedacht. Also: Wer befaßt sich mit den restlichen 85%? Und was passiert in der Zeit, bis Desertec tatsächlich einen nennenswerten Beitrag liefert?

Dezentrale Anlagen sind insbesondere Photovoltaik-Anlagen (auf Hausdächern, Freiflächen), Windanlagen, Biomasseanlagen (Verwertung von land- und forstwirtschaftlichen Abfällen, Kompost), Blockheizkraftwerke, Wasserkraftanlagen. Sie werden je nach Größe von Privatpersonen, Personengruppen oder Investitionsgesellschaften betrieben. Außer der elektrischen Energienutzung sollte auch gleich die Wärmenutzung und die Antriebsenergie im Verkehr bedacht werden.



Desertec

Auch Wüstengebiete sind nicht ganz menschenleer. Hier tut sich bei der Desertec-Realisierung absehbar das erste Hindernis auf: wie freiwillig lassen sich die Betroffenen dazu bewegen, ihre Heimat zu verlassen. Können wir Westeuropäer uns das vorstellen, wenn wir selbst nur die relativ kleinen Braunkohleabbaugebiete vor Augen haben, die zugunsten der Kohleförderung enteignet werden? Müssen wir Europäer unsere Energieprobleme gerade dort lösen?

Ob ein dauerhaft störungsfreier Betrieb dieser geplanten Großanlagen in der Wüste möglich ist, darf auch angesichts der Tausende Kilometer langen Leitungen angezweifelt werden – selbst wenn mehrere davon für Redundanz vorgesehen sind.



Zentrale Technik

Das DII-Vorhaben ist sehr stark zentralisiert. Planung, Erstellung und Betrieb werden in den Händen einiger Großkonzerne in der Rechtsform der Aktiengesellschaft liegen. Eine AG ist kein Wohltätigkeitsverein, in diesem Fall keine Fördergesellschaft für Erneuerbare Energien, sondern ein grundsätzlich gewinnorientiertes Unternehmen. Das kann man einer AG nicht vorwerfen, man muß sich dessen nur bewußt sein. Und die „Überlebensfähigkeit“ einer AG in einer globalisierten Welt hängt vom Gewinn ab, wie allgemein bekannt ist. Wenn Aktiengesellschaften an der DII beteiligt sind, die auch Kernenergie- und Kohlekraftwerke betreiben, werden die Unternehmen im Sinne des Aktionärsinteresses zu jeder Zeit genau überlegen, ob sie das eine, das andere oder das dritte Kraftwerk nutzen. Gerade die gewünschte Aufkündigung des sogenannten Atomkonsenses (Auslaufen der Kernenergie) läßt Zweifel am Interesse der Großkonzerne aufkommen, allzu bald den Erneuerbaren Energien zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen.

Auch wenn Greenpeace wünscht, daß die Wüstenstromanlagen nicht die dezentralen Anlagen (Photovoltaik-, Wind-, Biomasseanlagen) verdrängen sollten, liegen in der zentralen Technik die wesentlichen Hindernisse für einen zügigen Übergang zu Erneuerbaren Energien:



Dezentrale Anlagen

Die schon vorhandenen dezentralen Techniken ermöglichen:

Nicht nur in Afrika, auch in Asien und anderen Erdregionen begrenzt die weite Ausdehnung der bewohnten Gebiete die Nutzung zentraler Energietechniken; es wären gewaltige Überlandnetze nötig, die bisher noch nicht existieren. Dort sind wohl vorrangig dezentrale Strukturen nötig. Es wird geschätzt, daß mehr als 1,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu öffentlichen Stromnetzen haben.

Daß die gesamte deutsche Energieversorgung auf Erneuerbar umgestellt werden kann – das heißt: die vollständige Energiewende – , ist in mehreren Studien durchgerechnet und nachgewiesen worden; bei entsprechendem politischen Willen ließe sich dies sogar in sehr kurzer Zeit, z.B. in 10 Jahren bewerkstelligen! Wer sich nicht mit dem Thema befaßt oder kein Interesse an dem Ergebnis hat, wird diese Aussage selbstverständlich zurückweisen! Dazu lohnt ein Blick in die unten angegebenen Quellen.



Nicht 15%, sondern 100% sind nötig

Wir dürfen uns nicht irritieren lassen: Dezentrale Anlagen der Erneuerbaren Energien sind und bleiben nötig, egal ob Desertec kommt oder nicht! Und hierbei darf nicht allein an den Strom gedacht werden, der möglichst schnell aus erneuerbaren Quellen stammen muß; auch die Wärmeversorgung und der Bedarf im Verkehr gehören mitbedacht!



Was speziell den Strombereich betrifft, gibt es verschiedene relativ einfache Optionen, die man generell prüfen sollte.



Zusammenfassung

Überspitzt wurde oben ein Desertec-Anteil von 15% einem Rest von 85% gegenübergestellt. Dies unterschlägt, daß in Deutschland, angeschoben durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, bereits seit 2007 ein erneuerbarer Beitrag von 15% im Strombereich erreicht und in den nächsten Jahren ein weiterer Zuwachs zu erwarten ist. Das gilt aber nicht für alle europäischen Länder und auch nicht für alle übrigen.

Zudem ist nicht nur die Sparte Stromerzeugung zu betrachten. Es ist insgesamt fraglich, wie schnell die Energiewende in Deutschland und anderswo verlaufen wird, wenn mit Verweis auf die Desertec-Aktivitäten dezentrale Bemühungen verlangsamt werden. Deshalb das Fazit:

Müssen wir uns nun auf Desertec verlassen? Nein!

Beim Übergang zu den Erneuerbaren Energien kann jeder sofort mitmachen – wir brauchen nicht auf die Großen zu warten!





Quellen

http://de.wikipedia.org/wiki/Desertec Desertec in Wikipedia

http://www.desertec.org/de/presse/pressemitteilungen/090713-01-versammlung-desertec-industrial-initiative/ Die DII-Gründungsmeldung

http://www.greenpeace.de/themen/energie/nachrichten/artikel/greenpeace_desertec_initiative_hat_modellcharakter-1/ Die Meldung von Greenpeace zur DII-Gründung

http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/FAQ_Wuestenstrom_01.07.09-f.pdf Weitergehende Erläuterungen von Andree Böhling (Greepeace) zum Thema

http://www.sfv.de/artikel/400_milliarden_fuer_desertec.htm Die Meinung des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V. (SFV) zu DII



Zur dezentralen Versorgung:

http://de.wikipedia.org/wiki/Dezentrale_Stromerzeugung Dezentrale Stromerzeugung in Wikipedia

http://www.solarserver.de/news/news-9365.html Greenpeace/EPIA zu dezentraler Energieversorgung außerhalb der öffentlichen Netze

http://www.fairpla.net/aktu_S-d.html Internationale Genossenschaft fairPla.net eG, die Erneuerbare-Anlagen in Deutschland in ärmeren Ländern betreibt



Zur Solarenergie/Energiewende allgemein:

http://de.wikipedia.org/wiki/Solarenergie Desertec in Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/Energiewende Energiewende in Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/Energiespeicher Energiespeichertechniken in Wikipedia

http://volker-quaschning.de/ Die Vielfalt der Erneuerbaren Energien, anschaulich

http://www.waffenschmidt.homepage.t-online.de/100prozent/100prozent.htm 100 % Erneuerbare Energien sind auch in Deutschland in relativ kurzer Zeit möglich (Präsentation zum Herunterladen) – hier wird mit einer Vollversorgung in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr gerechnet

http://www.atomausstieg-selber-machen.de Ökologische Stromanbieter, die nicht mit Kohle- und Kernenergie verbandelt sind

http://www.gls.de/ Ökologisch-soziale Bank